Donnerstag , 30 März 2023

Mein neuer Recherche-Workflow

DEVONthink – Liquidtext – Scrivener

Scrivener als Datenbank?

Scrivener eignet sich hervorragend, um Recherchematerial direkt bei seinem Schreibprojekt aufzubewahren und zu organisieren. Es gibt allerdings auch einige gute Gründe, sein Hintergrundmaterial an anderer Stelle zu verwalten:

  • Dateien sind in Scrivener zwar rasch verfügbar, während man in seinem Projekt arbeitet. Ist das Projekt jedoch geschlossen und man benötigt ein Dokument in einem anderen Zusammenhang, ist es hingegen nicht so schnell erreichbar.
  • Programme wie DEVONthink machen es einem besonders einfach, Dateien zu sammeln oder zu „clippen”. So gibt es beispielsweise eine Erweiterung für den Browser, mittels der man Webseiten leicht und komfortabel in diversen Formaten und bei Bedarf direkt mit Notizen versehen seiner Datenbank hinzufügen kann. Auch auf dem iPhone oder iPad gelingt das einsammeln von Daten damit besonders elegant.
  • Wenn man große Mengen an Recherchematerial hat, kann DEVONthink mit seinen intelligenten Funktionen gute Dienste leisten (z.B. automatisches Gruppieren oder „see also“).
  • Scrivener ist nicht dazu optimiert, PDFs zu lesen, zu markieren und mit Anmerkungen zu versehen.
  • Nicht jedem ist es recht, wenn die ganzen Hintergrundmaterialien direkt in seinem Scrivener-Projekt liegen. Für eine ablenkungsfreie und konzentrierte Schreibumgebung kann es hilfreich sein, Recherche-Dateien an anderer Stelle zu lagern oder nur die relevanten Ergebnisse, eine Art Extrakt, in seinem Schreibprojekt aufzubewahren.
  • Scrivener hat zwar kein Problem mit großen oder gar riesigen Projekten. Seit es Scrivener für iOS gibt, spielt die Größe aber vielleicht doch eine Rolle. Zum Einen ist der Platz auf dem iOS-Gerät begrenzt und bei vielen ohnehin rar. Zum Anderen kostet es Zeit, die Projekte zu synchronisieren. Eigentlich sollte Scrivener nur jene Dokumente aktualisieren müssen, an denen man etwas verändert hat. Tatsächlich findet das Programm aber immer viel mehr Dateien, die es aktualisieren will, als man erwarten würde. Vom mobilen Datenvolumen abgesehen, dass dies möglicherweise kostet, bremst das den Workflow. Und die reinen Textdateien lassen sich natürlich viel schneller übertragen als ein PDF oder Bilder.

Für mich waren das Gründe, einen anderen Arbeitsablauf auszuprobieren, den ich hier vorstellen will.

DEVONthink

DEVONthink

DEVONthink ist ein sehr beliebtes Programm auf dem Mac. Es ist eine Art Datensammelbank. Nahezu jedes Dateiformat lässt sich dort ablegen und betrachten. Es gibt eine Vielzahl von Anwendungsmöglichkeiten und Funktionen, die ich hier nicht alle darstellen will. Zusammenfassend lässt sich aber sagen, dass man in DEVONthink seine PDFs, Webseiten, Lesezeichen, Textdokumente, Bilder, Videos und was auch immer man für ein Schreibprojekt zusammenträgt, sammeln und verwalten kann. Ähnlich wie im Finder oder dem Windows-Explorer, kann man Ordner und Unterordner anlegen, um Dateien zu organisieren. Durch Tags lassen sich Dokumente aber auch anderen Kontexten zuordnen, sodass ich beispielsweise ein Dokument in einem Ordner für ein konkretes Schreibprojekt ablegen kann, aber durch ein passendes Tag schnell wiederfinden kann, wenn ich es in anderem Zusammenhang benötige. Ein Beispiel könnte ein Text über Ballistik sein, den ein Autor einem bestimmten Krimi zuordnet, über Tags und die Suchfuntkionen aber auch für spätere, andere Krimis zugänglich macht. Wenn man erstmal eine Reihe von Daten gesammelt hat, kann DEVONthink auch selbständig Elemente einsortieren, was angeblich sehr gut funktioniert (meine Datenbank ist noch nicht so groß, als dass ich das überprüfen könnte). Eine weitere wichtige Funktion ist die Möglichkeit, sich ähnliche Dokumente anzeigen zu lassen, wofür das Programm den Inhalt von Dateien analysiert und nach einem Algorithmus aufbereitet.

Ein Grundgedanke ist, dass es in DEVONthink eine sogenannte Inbox gibt, also eine zentrale Sammelstelle, in die man zunächst Dateien ablegen kann, wenn man noch nicht sicher ist, wie und wo man sie einsortieren will bzw. um rasch Dokumente zu speichern und sich vorerst nicht mit deren Organisation beschäftigen zu müssen (bzw. um dies durch das intelligente Gruppieren dem Programm zu überlassen).

Es gibt auch eine iOS-App (DEVONthink to go), die sich mit der Desktopversion synchronisieren lässt und die es sehr leicht macht, Webseiten oder Dokumente, die man auf seinem mobilen Gerät betrachtet, der Datenbank hinzuzufügen.

Liquidtext

Liquidtext ist eine App für iOS. Ich benutze sie auf dem iPad, um PDFs zu lesen und zusammenzufassen. Im Prinzip handelt es sich um einen PDF-Reader, der die üblichen Funktionen wie Highlights, Kommentare etc. beherrscht. Doch Liquidtext ist mehr als das. Die innovative und geniale, namensgebende Funktion ist nämlich, dass man sehr einfach Passagen aus seiner PDF herauslösen kann. Markierter Text wird gleichsam „flüssig“ und lässt sich in die Seitenleiste ziehen. Auf diese Weise kann man einen Extrakt erzeugen, der nur die Schnipsel enthält, die einem wichtig sind. Eine andere Variante ist es, den Text mit Highlights zu versehen und ihn dann auf diese Passagen zusammenschrumpfen zu lassen. Die App blendet dann einfach alles, was nicht markiert ist, aus. Für den hier dargestellten Workflow ist aber die Exzerpt-Funktion ausschlaggebend.

Genial ist auch, wie man Text markiert. Es funktioniert genau so, wie es eigentlich in iOS systemweit sein sollte und man fragt sich, wieso Apple das nicht längst genauso gelöst hat: Man streicht einfach mit dem Finger (oder dem Pencil) über die gewünschte Passsage. Fertig. Das Programm erkennt, ob man dabei Scrollen oder Markieren will.

Die Basis-Variante der App ist kostenlos. Wenn man die Pro-Version kauft, kann man auch mehrere PDFs gleichzeitig öffnen und gemeinsam bearbeiten. Nun kann man also seinen Extrakt aus verschiedenen, zusammengehörigen PDFs erzeugen. Was nun noch fehlt, und selbstverständlich geht, ist der Export: Die aus den relevanten Textschnipseln verschiedener PDFs eingedickte Suppe kann man in verschiedenen Formaten ausgeben. Statt fünf seitenlanger PDFs zu einem Thema, auf denen vielleicht nur eine Handvoll relevanter Sätze für meine Zwecke angestrichen sind, habe ich nun eine Textdatei, die aus den für mich wichtigen Passagen besteht.

Der Workflow

Nun will ich beschreiben, wie ich diese beiden Programme benutze und mit Scrivener integriere. Ich zeige euch das Ganze wieder an meinem fiktiven Hardboiled Krimi-Projekt, das ein reines Beispiel ist. Der angebliche Krimi spielt in China Town und ich könnte Informationen zu diesem Stadtteil recherchiert haben.

Sammeln

Die Safari-Erweiterung von DEVONthink (gibt es auch für andere Browser) fügt einen Knopf neben der Suchleiste hinzu. Ein Klick darauf öffnet den Clipper. Hier sieht man, dass ich als Speicherort bereits „Scrivpost“ ausgesucht habe (sonst würde es automatisch in der globalen Inbox landen), dass ich eine kleine Notiz hinzugefügt habe und als Format PDF gewählt habe. Ich könnte es auch als Lesezeichen, reinen Text oder Web-Archiv speichern.

Der Clipper

Hier habe ich ein paar PDFs zu China Town gesammelt. Wir sehen die Desktop-Version von DEVONthink, aber ich könnte genausogut am iPhone oder iPad gearbeitet haben.

(Kleiner Exkurs: leider unterstützt Safari für iOS noch keinen direkten Export als PDF. Es geht aber über einen kleinen Umweg: Wenn man im Share-Sheet auf „Drucken“ drückt, erscheint der Drucken-Dialog und ein kleines Vorschau-Bild. Dieses kann man durch eine umgekehrte Pinch-Geste „vergrößern“, was die Webseite als PDF darstellt. Hier gibt es ein weiteres Share-Sheet, mit dem man dann die PDF exportieren kann, z.B. nach DEVONthink oder auch nach Scrivener).

Durch die Synchronisation stehen alle Daten auf allen Plattformen zur Verfügung.

Einige PDFs in DEVONthink

Lesen

Nun geht es darum, das Recherchematerial zu sichten, durchzulesen und jene Informationen zu extrahieren, die für das Schreibprojekt wichtig sind. Dies mache ich am iPad pro. Mit dem Apple Pencil ist das fast so als würde ich mit Papier und einem Textmarker arbeiten. Zunächst exportiere ich die PDFs aus der DEVONthink to go App zu Liquidtext.

Aus DEVONthink to go nach Liquidtext exportieren

In Liquidtext kann ich entscheiden, ob ich ein neues (Gesamt-)Dokument anlegen will oder zu einer Sammlung hinzufügen will. Ich lege mit der ersten PDF ein neues Dokument an (ich habe es „Scrivpost“ genannt) und füge die weiteren diesem Dokument hinzu, denn ich will ja eine Zusammenfassung aller drei PDFs erstellen (das war die Funktion, die nur mit der kostenpflichtigen Pro-Version von Liquidtext geht, sonst muss man die PDFs einzeln bearbeiten).

Hier sehen wir jetzt die Übersicht über meine drei zu bearbeitenden PDFs, die in Liquidtext alle zu einem Dokument namens „Scrivpost“ zusammengefasst sind.

Die Übersicht der importierten PDFs in Liquidtext

Jetzt kommen wir zu der schönen Möglichkeit, Textschnipsel zu sammeln. Ich fahre einfach mit dem Finger oder dem Pencil über die zu markierenden Stellen. (Dazu muss man zunächst für ca. eine Sekunde den Text gedrückt halten, sodass man nicht durch versehentliche kurze Berührungen zu markieren beginnt. Dann sieht man, dass die Markierungsfunktion anspringt und man fährt über den Text. Man kann auch nach unten ziehen und markiert gleich die ganze Zeile, sodass man nicht, wie mit einem Stift, wirklich über jeden Buchstaben streichen muss.) Den markierten Text kann ich jetzt einfach in die Seitenleiste schieben. Dort kann ich ihn bei Bedarf auch farbig markieren oder mit einem Kommentar versehen. Nett auch die Möglichkeit, zusammengehörige Schnipsel aneinanderzuheften, wie im Bild zu sehen. Es ist als wären sie etwas klebrig und wenn man sie wieder lösen will, zieht sich die Blase aus flüssigem Text etwas, bis sie sich wieder löst.

Der Extrakt

Ich habe nun etwas wahllos ein paar Schnipsel aus allen drei PDFs zusammengestellt. Man sieht an der Quellenangabe unten rechts bei jedem Schnipsel, von welcher Ursprungsdatei sie stammen.

Noch ein paar weitere Schnipsel wurden gesammelt

Nun möchte ich meine Zusammenfassung als Textdatei exportieren, um sie meinem Schreibprojekt hinzuzufügen. Dazu gehe ich auf das Teilen-Symbol. Zunächst lege ich das gewünschte Dateiformat fest. Dann erhalte ein Exportfenster mit verschiedenen Möglichkeiten, z.B. die Quellenangabe hinzuzufügen (Anmerkung: wenn man wissenschaftlich arbeitet, bietet es sich an, die PDFs direkt als korrekte Quellenangabe im gewünschten Format zu benennen, dann kann man den hier ausgegebenen Dateinamen später  als Zitation übernehmen, s.u.).

Exportmöglichkeiten …

Natürlich habe ich alle erdenklichen Möglichkeiten, mir die Datei zuzuschicken.

… und Wege

Scrivener

Liquidtext hat mir ein Worddokument ausgegeben, das ich nun in Scrivener importieren kann. Dazu ziehe ich einfach die Datei per Drag&Drop in den Recherche-Ordner meines Krimi-Projektes.

Import der Zusammenfassung nach Scrivener per Drag&Drop

Hier sieht man nun meinen Extrakt. Die von mir ausgewählten Textschnipsel samt Quellenangabe sind als reiner Text in einem neuen Scrivenerdokument angekommen. Für eine wissenschaftliche Arbeit könnte ich nun einen Text um diese Zitate herumschreiben und die Quellenangabe direkt in Fußnoten kopieren (sofern ich, wie oben vorgeschlagen, die Datei so benannt habe, dass sie schon im richtigen Format für die Fußnote steht). Ich will hier aber einfach nur eine Zusammenfasssung meiner Rechercheergebnisse haben, auf die ich aus meinem Scrivenerprojekt heraus zugreifen kann. Z.B. wenn ich nachschauen will, wie die Straße heißen könnte, in der der Held jemanden verfolgt.

Der Extrakt

Aber das ist noch nicht alles. Das geniale ist nämlich, dass ich die Originalquellen problemlos in Scrivener verfügbar machen kann, ohne sie zu importieren und damit das Projekt aufzublähen. Hierfür dienen die references (Referenzen). Früher dachte ich immer, dieses Feld wäre nur dafür da, Internetadressen zu sammeln. Aber tatsächlich kann ich hier jede Datei meiner Festplatte verknüpfen. Dazu muss ich einfach nur die gewünschten Dokumente in DEVONthink markieren und per Drag&Drop in das Referenz-Fenster ziehen. Ich muss also nicht einmal den Originalpfad im Finder heraussuchen (denn DEVONthink stellt ja im Prinzip nur Dateien dar, die tatsächlich irgendwo auf der Festplatte liegen).

Import der Referenzen

Hier sieht man, das Scrivener den Pfad zu den Dateien gespeichert hat.

Scrivener hat die Pfade zu den Dateien bei den Referenzen gespeichert

Ein Doppelklick auf das Dokumentsymbol öffnet es in Vorschau. Doch ich muss Scrivener nicht einmal verlassen, wenn ich noch mal auf das Originaldokument zugreifen will. Per Rechtsklick kann ich auch entscheiden, es im Editor von Scrivener zu öffnen.

Öffnen im Editor

Und dann habe ich die PDF in Scrivener, kann sie in einem zweiten Editor betrachten etc, gerade so als hätte ich sie ursprünglich dort importiert.

Die PDF wird direkt in Scrivener angezeigt

Im Übrigen kann man diese Methode natürlich auch anwenden, ohne dass man den Schritt über eine Zusammenfassung gewählt hat. Scrivener braucht nur irgendein Dokument, dem man die Referenzen zuordnet, aber das könnte theoretisch auch einfach ein leeres Blatt mit dem Namen „Recherche“ oder was auch immer sein.

Ein kleiner Nachteil dieser Methode ist natürlich, dass die Verlinkung nur auf dem Mac funktioniert, auf dem die Dateien auch wirklich liegen. Wer also mit mehreren Geräten arbeitet, würde hierbei evt. ins Leere greifen. Auch auf dem iPad habe ich die Referenzdatei natürlich nicht zur Verfügung. Aber da ich ja DEVONthink synchronisere, liegt die Datei dort und ich kann sie relativ einfach finden und per Splitscreen parallel zu Scrivener damit arbeiten, wenn es denn wirklich mal erforderlich ist (eigentlich hoffe ich ja, dass ich die wichtigen Informationen sowieso in meinem Extrakt im Scrivenerprojekt liegen habe).

Das war’s. Ich freue mich über Kommentare, Fragen und Anregungen und wünsche produktives Schreiben.

Über Robert Friedrich von Cube

R.F. von Cube schreibt mit Scrivener, den Fingern und dem Herzen. Kurzgeschichten von ihm findet man im ohneohren Verlag und bei Art Skript Fantastik. Alles Mögliche in seinem Blog http://zeichensturm.wordpress.com.

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